Chronische Schmerzen - wenn das Leben zur Qual wird
Fast allen Menschen sind akute Schmerzen vertraut, normalerweise werden sie als Warnsignal einer Verletzung oder einer Krankheit verstanden und klingen daher meist schnell wieder ab.
Vorübergehende Schmerzen werden meist erduldet und akzeptiert, da man sich darauf verlassen kann, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden. Dagegen stellen chronische Schmerzen für
Betroffene eine deutliche Belastung dar, da man mit ihnen und den aus den Schmerzen resultierenden Einschränkungen in der Regel langfristig leben muss.
Schmerzen werden dann als chronisch bezeichnet, wenn sie länger als drei bis sechs Monate bzw. länger als die übliche Heilungsdauer bei einer akuten Verletzung andauern. Dabei können prinzipiell
alle Körperteile betroffen sein, am meisten kommen aber chronische Kopf- und Rückenschmerzen vor. Ein chronisches Schmerzproblem umfasst jedoch noch mehr als die körperliche Empfindung von
Schmerz, Betroffene müssen sich auch mit einer veränderten körperlichen Leistungsfähigkeit, mit psychischen Folgen wie Gereiztheit oder Depressivität und schließlich auch mit sozialen bzw.
beruflichen Folgen wie zunehmende Krankheitstage oder gar Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit auseinandersetzen. Ein Beispiel kann hier die Situation von Herrn B. gelten: Er leidet seit drei
Jahren an chronischen Kopfschmerzen, dennoch versucht er, sein gewohntes Leistungsniveau bei der Arbeit und zuhause beizubehalten, er beißt die Zähne zusammen bis er alle Aufgaben erledigt hat.
Seit einiger Zeit hat sich seine Stimmung deutlich verändert, er fühlt sich niedergeschlagen, dünnhäutig, reagiert häufig gereizt und seine Schmerzen werden zunehmend so schlimm, dass er für
einige Tage völlig außer Gefecht gesetzt ist. Um seine Hobbys und seine sozialen Kontakte kümmert er sich nur noch selten, da er hierfür meist zu erschöpft ist. Auf diese Veränderungen reagiert
seine Familie sehr kritisch, vor allem der zumnehmende Rückzug sowie die dauerhafte Erschöpfung ist für sie nicht nachvollziehbar. Aus diesem Grund hat Herr B. oftmals Schuldgefühle, was seine
schlechte Laune noch weiter verstärkt.
Chronische Schmerzen sind kein seltenes Problem, ca. 5-10% der Bevölkerung leiden daran. Für die Betroffenen ist die Frage nach der Ursache häufig von zentraler Bedeutung, da gehofft wird, mit
dem Wissen um die Ursache auch das Schmerzproblem an sich abstellen zu können. Leider ist dies bei chronischen Schmerzen nicht möglich, entweder weil die Ursache gar nicht beseitigt werden kann,
selbst wenn sie bekannt ist (z.B. Rheuma) oder weil die genaue Ursache der Schmerzproblematik überhaupt nicht eindeutig geklärt werden kann (z.B. bei einem Großteil der Rückenbeschwerden).
Die früher gängige Unterscheidung zwischen rein körperlich und rein psychisch bedingten Schmerzen gilt heute als überholt, die aktuelle Sichtweise der Schmerzforschung geht stattdessen davon aus,
dass chronische Schmerzen multifaktoriell sind, d.h. immer von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Sprich: Der Körper reagiert sowohl auf körperliche Überforderung/Überlastung, auf
Fehlhaltungen, aber auch auf psychischen Stress. Aus diesen Gründen erscheint ein Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen sinnvoll, das viele verschiedene Faktoren wie
körperliche und psychische Prozesse sowie deren Wechselwirkungen enthält. In der Behandlung gilt es gemeinsam mit dem Therapeuten ein solches Modell zu erstellen und zu bearbeiten.
Betroffene chronischer Schmerzen benötigen ein vielfältiges Therapieangebot mit Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen wie Medizin, Physiotherapie und Psychotherapie. Dieses Angebot findet
sich unter anderem in den auf Schmerztherapie spezialisierten stationären und teilstationären Einrichtungen vor. Auch im ambulanten Bereich gibt es auf chronische Schmerzen spezialisierte Ärzte
und Therapeuten, die mit weiteren Fachleuten kooperieren.
Bei chronischen Schmerzen besitzt die medikamentöse Therapie einen hohen Stellenwert, da diese ein erträgliches Schmerzniveau ermöglicht, das wiederum die Basis für die genannten
psychotherapeutischen und krankengymnastischen Interventionen darstellt. Ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll ist und wie lange diese andauern sollte (Medikation ist immer nur für einen
kurzen Zeitraum sinnvoll!), ist mit einem auf Schmerztherapie spezialisierten Arzt oder Therapeuten zu klären.
Mindestens genauso wichtig wie die medikamentöse ist die psychologische Schmerztherapie. Auch diese kann keine Schmerzfreiheit erreichen, die Erhöhung der Lebensqualität durch einen veränderten
Umgang mit der Schmerzproblematik ist jedoch ein realistisches Therapieziel. Für die Betroffenen gilt es innerhalb der Therapie zu verstehen wie sie auf ihr Schmerzgeschehen Einfluss nehmen
können. Dabei lernen sie, ihre Schmerzreaktion zu beobachten, Auslöser für eine Verstärkung des Schmerzes zu identifizieren und im Anschluss zu verändern. Zudem erlernen sie in der Therapie
Strategien zur Schmerzbewältigung wie Entspannstechniken, Bewegungsausgleich, Aufgabe der oft vorhandenen Schonhaltung oder Steuerung der Aufmerksamkeit. Auf diese Weise verbessern Betroffene
ihre Fähigkeit zur Stressbewältigung und verhindern so ein Aufschaukeln von Stressreaktionen zu Verspannung und Schmerzverstärkung. Grundsätzlich geht es in der Schmerztherapie darum, einen
achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper sowie mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu entwickeln. Somit wird in der Therapie auch über Themen gesprochen, die weit über den Schmerz an sich
hinaus gehen, wodurch langfristig mehr Wohlbefinden und Lebensfreunde beim Betroffenen entstehen können.
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